Kirchenburg und Kirche lassen sich sehen

Gespräch mit dem evangelischen Pfarrer von Petersberg, Dr. Peter Klein

Pfarrer Dr. Peter Klein Foto: privat

Petersberg und dessen evangelische Kirchengemeinde hatten im Vorjahr einen besonderen Anlass zu feiern: der erfolgreiche Abschluss mehrjähriger umfassender Sanierungsarbeiten an der Kirchenburg und der Kirche. Pünktlich dazu ist die Herausgabe des zweisprachigen Bandes „Die Kirchenburg von Petersberg/ Biserica Evanghelică Fortificată din Sânpetru“ zu vermerken, ein reich illustrierter Band, verfasst von Heinrich Lukesch und Dr. Peter Klein, ein Band, der Anfang Februar sowohl für deutsche als auch für rumänische Leser in Petersberg gesondert vorgestellt wird. Im nachfolgenden Interview spricht Pfarrer Klein über die Entstehungsgeschichte dieses Bandes und stellt weitere Infos über die Kirchenburg vor.

Wie kam es zum Erscheinen dieses Bandes über Geschichte und Renovierung der Kirchenburg von Petersberg?
Dieses Buch ist ein Wunsch meinerseits seit etwa 15 Jahren. Damals als junger Pfarrer habe ich hier in Petersberg einen Band vorgefunden mit wenigen maschinengeschriebenen Seiten, verfasst von Heinrich Lukesch . Ein Jahr später hat er mir einen weiteren Band zukommen lassen mit vielen Fotos. Ich habe mir das durchgesehen, es für gut befunden und es daraufhin allen Architekten, die hier ihre Studien gemacht haben, vorgelegt, noch im Unwissen, was für eine Bedeutung dieses Material hat.

Wer war Heinrich Lukesch?
Heinrich Lukesch ist der Sohn eines Lehrers. Er selbst wurde in Heldsdorf geboren und hat in Petersberg gelebt. Er wollte eigentlich Architektur studieren, weil er großen Gefallen an den Bauwerken hatte. Aber es kam die Deportation dazwischen und dann das kommunistische Regime, so dass sich sein Wunsch nicht verwirklichen ließ. Im Selbststudium hat er sich Kenntnisse über Vermessung und Architektur angeeignet. Lukesch hat diese Kirchenburg zusammen mit jenen aus Neustadt und Heldsdorf komplett vermessen und gezeichnet. Die Petersberger Kirchenburg hat er als Modell im Maßstab 1:333 dreidimensional gebaut. Dieses Modell ist gegenwärtig im Teutsch-Haus in Hermannstadt ausgestellt. Kurz nach 1990 ist er bereits als Rentner ausgewandert und im Alter von 96 Jahren im Vorjahr verstorben. Persönlich habe ich ihn erstmals voriges Jahr kennengelernt, als es nur noch um die Feinheiten dieses Bandes ging. Im Vorfeld haben wir viel per E-Mail und per Post korrespondiert und telefonisch gesprochen. Mein ursprüngliches Interesse war, das Buch als sein Buch herauszugeben, also selber nicht als Co-Autor aufzutreten. Das Büchlein hatte ich auf Rumänisch und Ungarisch übersetzen lassen und wollte es so herausgeben. Damit war er nicht einverstanden. Er wollte nicht im Rampenlicht stehen.

Welches ist Ihr Beitrag zu diesem Band?
Mein Beitrag ist der eines Kommentators. Ich habe seinen Beitrag mit meinen Beobachtungen zum Bauwerk in den letzten 18 Jahren ergänzt. Es ging dabei um die Reparaturmaßnahmen und damit verbundene Gespräche mit Fachleuten.

Sie selber kennen sich also auch in diesem Bereich aus?
Sagen wir es so: ich habe kein Diplom. Aber ich habe bereits als Kind immer und gerne zugesehen, wie gebaut wurde. Ich habe den Handwerkern zugesehen, was und wie sie es machen, welche Fehler auftreten können und wie sie vermieden werden können. Als junger Erwachsener habe ich zuerst in der landeskirchlichen Orgelwerkstatt in Hermannstadt, später als Hausmeister in einem Studentenheim in Wien gearbeitet. Überall habe ich mich handwerklich fortgebildet und selber gebaut, was nur ging, in ganz verschiedenen handwerklichen Bereichen. Dazu habe ich gerne im Vorfeld auch detaillierte Pläne und Zeichnungen gemacht, Querschnitte und Grundrisse erstellt, da mir technisches Zeichnen in der Schule sehr gut gefallen hatte. Schließlich kommt mir noch das ästhetische und künstlerische Verständnis meiner Frau Elke zugute, die aus dieser Perspektive die  Pläne ggf. noch einmal sichtet.

In welchem Zustand haben Sie Kirche und Kirchenburg vorgefunden?
Als ich herkam, war alles funktional. Die Orgel hat funktioniert, die Glocken haben funktioniert, die Kirche auch. Die Frage war - auf welchem Standard? Noch bevor die großen Bauarbeiten im EU-Projekt begonnen wurden, hat zuerst die Orgel 2009 versagt und später die Glocken. Beide wurde aufwendig repariert, bei den Glocken mussten Joche und Klöppel sowie die gesamte Automatisierung erneuert werden. Eine Glocke war sogar zum Schweißen in den Niederlanden. Der ausschlaggebende Faktor für den Beginn der Reparaturmaßnahmen an Kirche und Kirchenburg war ein Konkurrenzdenken mit Brenndorf. Die Brenndorfer Kirchengemeinde, die ungefähr halb so groß wie die der Petersberger ist, hatte 2012 mit den Arbeiten an ihrer Kirche begonnen. Da fragten sich die Petersberger: „Können wir das nicht auch?“ In der Betreuung der Brenndorfer Arbeiten konnte ich wichtige Erkenntnisse gewinnen. Hierzu gab es die Möglichkeit, ab 2014 EU-Fördergelder zu beantragen.

In der Kirchenburg mussten dringende Reparaturarbeiten vorgenommen werden. Die Feuchtigkeit in der Kirche war bis fast zwei Meter hoch. Man hatte zwar 2004 ein Projekt für die Neugestaltung des Kirchhofs durchgeführt. Das hat aber leider nicht wie gewünscht funktioniert. Die Feuchtigkeit ist weiter gestiegen. Als erste Maßnahme mussten wir den Kirchhof absenken. Und wenn man das beginnt, so dachten wir, sollte man auch das Innere der Kirche renovieren, da das zuletzt bereits siebzig Jahre zuvor unternommen wurde. Im Außenbereich hatten wir bereits 2006 und 2007 kleinere Arbeiten versucht – allerdings mit Zementputz, was nicht gut war. Die Fruchtkammern waren zuletzt 1974 bemalt worden. Die Erdfarbe sah gar nicht gut aus, so dass wir das verbessern wollten. Außerdem wollten wir, dass der gesamte zweite Bering (Zwingermauer) begradigt, der südliche Schalenturm auf die volle Höhe gehoben und die alte Gruft vom Alten Friedhof im Zwinger wieder aufgebaut wird. Sie war zur Ruine verkommen. Um den dritten Bering konnten wir uns nicht kümmern, weil der zu Baubeginn noch Teil eines Gerichtsverfahrens war.

Wird die Kirchenburg als touristische Sehenswürdigkeit zur Geltung gelangen?
Sie war auch bisher immer offen für Touristen. Die Kirche kann besichtigt werden. Jeder Besucher oder jede Besuchergruppe erhält eine Führung. Niemand wird hier unbeaufsichtigt durch die Kirche gehen oder, besser gesagt, alle erhalten ein Minimum an Wissen über die Kirche. Es gibt Personen, die diese Führungen übernehmen. Aber, wie das mit Freiwilligen der Fall ist – sie müssen sich z.B. auch um ihre eigene Wirtschaft kümmern oder Einkäufe in Kronstadt erledigen. Es kann also kein festes Programm gesichert werden. Vor der Renovierung hatten wir etwa 200 Besucher im Jahr. Ich nehme nicht an, dass diese Zahl rasant steigen wird, so dass wir nicht einen hauptamtlichen Führer einstellen können. Der Eintritt liegt bei 20 Lei/Person; ausgenommen die mit Petersberger Personalausweis. Diese haben freien Eintritt. Ebenso haben Kinder freien Eintritt. Damit wollen wir den Besuch von Schulklassen und der Ortsbevölkerung fördern.

Im Sommer gab es archäologische Grabungen im Kirchhof, durchgeführt von Studenten aus den Vereinigten Staaten. Wie kam es dazu?
Mit Dipl.-Archäologin Daniela Marcu Istrate habe ich eine sehr gute Zusammenarbeit gehabt. So kam es, dass Frau Marcu Istrate mit Geldmitteln und Spenden aus den USA in Petersberg für einen Monat eine Sommerakademie für ungefähr 20 Archäologie-Studenten organisiert hat. Der Hintergrund dieser Grabungen ist, dass wir vorhaben, die alte Kapelle und das alte Kloster (das in der Fachliteratur aber nicht erwähnt wird) genauer zu erforschen. Die Erkenntnisse aus diesen Grabungen werden uns behilflich sein bei eventuellen späteren Renovierungsarbeiten. Wir wollen also zuerst wissen: Was war dort? Wie war es? Um dann zu schlussfolgern, was gemacht werden sollte. In einer der beiden Grabungskassetten wurden Reste eines Fluchttunnels entdeckt.

In ganz anderer Hinsicht: Petersberg droht in Zukunft sich zu einem Ortsteil von Kronstadt zu verwandeln. Wie sehen Sie diese Perspektive?
Ich hoffe, dass Petersberg nicht zu einem Kronstädter Stadtteil wird. Das würde die Verwaltung dieser Ortschaft sehr verkomplizieren. Es ist besser, wenn Petersberg eine eigenständige Gemeinde bleibt. Dass Petersberg sich in den letzten Jahren so stark entwickelt, stellt uns vor neue Herausforderungen. So zum Beispiel wäre ich zufrieden, wenn die neu Angesiedelten sich nicht als Kronstädter betrachten, die in Petersberg schlafen, sondern sich als Petersberger bezeichnen. Das setzt aber voraus, dass sie sich mit dem Ort identifizieren, dass sie erfahren, was für ein Potential dieser Ort an Geschichte, an Denkmälern hat.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

Die Fragen stellte Ralf Sudrigian